Unscharfer Hintergrund beim Fotografieren oder Filmen

Unscharfer Hintergrund beim Fotografieren oder Filmen

Fotos und Videos wirken oft besonders interessant oder einfach schöner, wenn ein Motiv knackig scharf abgebildet ist und der Hintergrund in Richtung Unkenntlichkeit verschwimmt. Daher ist dieser Effekt ein häufig angewandtes Stilmittel in der Fotografie oder auch beim Filmen. Es entspricht auch der natürlichen Wahrnehmung. Wenn die Augen etwas fokussieren, werden Vorder- oder eben auch Hintergrund unscharf wahrgenommen. Wie man diesen Effekt gezielt einsetzt, schauen wir uns im Weiteren genauer an.

Damit beim Fotografieren oder Filmen der Hintergrund unscharf abgebildet wird, sind vor allem drei Faktoren zu beachten. Eine große Blende ist in vielen Fällen nötig oder hilfreich (1). Die jeweiligen Abstände zwischen Kamera, Motiv und Hintergrund sind entscheidend (2). Ein großer Bildsensor bietet den meisten Spielraum (3).

Alle drei Faktoren beeinflussen den gewünschten Effekt. Der eine mehr, der andere weniger. Das ist immer abhängig davon, was oder wie man etwas fotografieren oder filmen möchte. Im Folgenden erfährst du, wie der Effekt erzielt wird und welche Technik und Einstellungen du in verschiedenen Situationen benötigst. Auf geht’s 😉

Wie bekomme ich den Hintergrund unscharf?

Eine große Rolle spielt die Blendenöffnung. Je größer diese ist, desto geringer die Schärfentiefe. Das sorgt letztlich für den gewünschten Effekt, den Hintergrund unscharf darzustellen. Wie groß die Blende gewählt werden kann, ist abhängig von der jeweiligen Kamera bzw. vom Objektiv. Viele System- oder Spiegelreflexkameras (DSLR) kommen mit einem Kitobjektiv, das eine maximale Blende von f/3,5 ermöglicht. Diese Blende kann für viele Vorhaben ausreichend sein, aber nicht unbedingt für alle. Außerdem steht die maximale Blendenöffnung i.d.R. nicht über die gesamte Brennweite zur Verfügung. Wenn man die Brennweite verringert oder erhöht (Zoom), verändert sich auch die größtmögliche Blende und damit auch die Schärfentiefe.

Beispiel 1 (Blende f/1.7)
Beispiel 1 (Blende f/1.7)
Beispiel 3 (Blende f/8)
Beispiel 3 (Blende f/8)
Beispiel 2 (Blende f/3.5)
Beispiel 2 (Blende f/3.5)
Beispiel 4 (Blende f/14)
Beispiel 4 (Blende f/14)

Alle Fotos wurden mit einer MFT-Kamera und einem 25mm f/1.7 Objektiv gemacht.

Wie auf den Bilder deutlich zu erkennen, verändert sich die Schärfentiefe mit der Einstellung der Blende. Je größer die Blendenöffnung, desto geringer die Schärfentiefe. Auf dem ersten Bild ist die größtmögliche Blende (f/1.7) eingestellt und der Hintergrund entsprechend am unschärfsten. Beispiel 4 wurde mit einer sehr kleinen Blende (f/14) erstellt und der Hintergrund ist, wie zu erwarten, deutlich schärfer. Die Bilder wurden alle mit denselben Abständen erstellt. Die Kamera ist ca. 70cm vom Motiv entfernt. Zwischen Motiv und Hintergrund liegen ca. 100cm. Das ist wichtig, da die Abstände ebenfalls Einfluss auf die Unschärfe haben. Darauf gehe ich in einem Abschnitt weiter unten im Artikel noch genauer ein.

Es gibt auch Simulatoren für die Darstellung mit verschiedenen Brennweiten, Blenden und Entfernungen. Diese zeigen ein Bild nicht immer hundertprozentig realistisch, helfen aber durchaus für die gewünschte Situation die richtige Kamera bzw. das richtige Objektiv zu wählen. Zumindest um ein Gefühl für die Parameter zu bekommen, eignen sich solche Simulatoren sehr gut.

Hier drei kostenfreie Simulatoren

Welche Rolle spielt die Größe des Bildsensors?

Ebenfalls abhängig vom gewünschten Ergebnis, ist die dafür notwendige Sensorgröße. In einem Satz lässt sich sagen, dass der Hintergrund umso unschärfer dargestellt werden kann, je größer der Bildsensor ist. Das ist auch der Grund dafür, warum man mit einer Kompaktkamera, einem Camcorder oder auch mit dem Smartphone in vielen Situationen praktisch gar keinen unscharfen Hintergrund hinbekommen kann. Die Bildsensoren dieser Kameras sind einfach viel zu klein. Umgekehrt gilt dasselbe. Beim Kleinbildformat (Vollformat) und einer großen Blende sind extrem unscharfe Hintergründe möglich.

Ein gutes Beispiel aus der Praxis ist die Videoproduktion am Schreibtisch, die man von Videokonferenzen, Tutorials oder diversen Livestreamformaten kennt. Die Kamera ist häufig nur eine Armlänge entfernt, während der Hintergrund ebenfalls recht nah am Protagonisten ist. Hier profitiert man besonders von einem großen Bildsensor und einer großen Blende. Mit einer Webcam oder einem Camcorder funktioniert es im Grunde gar nicht – Zusatzsoftware mal ausgenommen. Beim MFT- oder APS-C-Format geht es mit einer Blende zwischen f/1.8 und f/2.5 schon sehr gut. Das Kleinbildformat bietet hier sicherlich den größten Spielraum.

Beispiel 1: 1/4" Sensor (ca. 3,6mm x 2,7mm) | f/1.7
Beispiel 1: 1/4″ Sensor (ca. 3,6mm x 2,7mm) | f/1.7
Beispiel 2: APS-C Sensor (ca. 22,3mm x 14,9mm) | f/1.8
Beispiel 2: APS-C Sensor (ca. 22,3mm x 14,9mm) | f/1.8

Beispiel 1 wurde mit einem Camcorder gemacht, Beispiel 2 mit einer Spiegelreflexkamera (DSLR). An beiden Kameras wurde die größtmögliche Blendenöffnung gewählt. Der Unterschied in der Schärfentiefe kann hier eindrucksvoll bestaunt werden 🙂 Trotz der sehr großen Blendenöffnung beim Camcorder (f/1.7) ist der Hintergrund praktisch scharf. Natürlich nicht gestochen scharf, aber weit entfernt von dem, was man sich unter einem unscharfen Hintergrund vorstellt 😉 Beim APS-C-Sensor sieht das ganz anders aus. Der Hintergrund ist richtig unscharf, wodurch das Motiv wirklich schön in den Vordergrund rückt.

Das liegt schlicht und einfach an dem deutlich größeren Bildsensor der APS-C-Kamera. Der Sensor ist tatsächlich mehr als 30-mal so groß wie der Sensor des Camcorders. An diesen Beispielbildern kann man sehr schön sehen, dass eine große Blendenöffnung allein nicht unbedingt ausreichen muss. Die Größe des Bildsensors spielt dabei eine wichtige Rolle. Nun wird man einen Camcorder eher seltener zum Fotografieren nutzen, aber dieselben „Gesetze“ gelten natürlich auch beim Filmen.

Es kommt auch auf die Abstände an…

Die Abstände zwischen Kamera und Motiv sowie zwischen Motiv und Hintergrund spielen durchaus eine große Rolle. Wenn man keinen Einfluss darauf nehmen kann, muss man natürlich mit Blende und Bildsensor auskommen. Hat man aber Einfluss darauf, sollte man den Abstand zwischen Motiv und Hintergrund so gut es geht erhöhen. Dasselbe gilt für die Position der Kamera. Auch mit einem kleinen Bildsensor kann man durchaus einen schönen, unscharfen Hintergrund erzielen…

Unscharfer Hintergrund mit einem kleinen Bildsensor
Unscharfer Hintergrund mit einem kleinen Bildsensor

Dieses Bild wurde z.B. mit einem Camcorder und einem entsprechend (sehr) kleinen Bildsensor gemacht. Die Hintergrundunschärfe ist durchaus akzeptabel. Um ein solches Ergebnis zu erzielen, gibt es im Grunde zwei Möglichkeiten. Entweder man geht mit der Kamera sehr nah heran oder man arbeitet mit dem Zoom. Beides hat Vor- und Nachteile sowie technische Grenzen, aber es funktioniert 😉

Bei einer Detailaufnahme wie der obigen, funktioniert beides. Man kann sehr nah an das Motiv heran, um den Effekt zu erzielen. Lediglich der Fokus könnte eine Hürde darstellen, denn der arbeitet bei extrem kurzen Distanzen nicht mehr. Aus Entfernung heranzoomen funktioniert auch. Dabei sind andere Hindernisse möglich, z.B. Platzmangel. Auch das Fotografieren aus der Hand könnte ein Problem werden, da das „Verwackelpotenzial“ natürlich steigt.

Möchte man den Camcorder für eine Nahaufnahme bei einem Interview nutzen, kann man nicht beliebig nah an das Motiv heran. Wer hat schon gerne eine Linse direkt im Gesicht? 🙂 Mit der Zoom-Methode kann es hingegen sehr gut funktionieren, wenn man genügend Platz zur Verfügung hat. Die Kamera stünde ohnehin auf einem Stativ und ob das nun 1m, 2m oder 5m vom Motiv entfernt ist, spielt kaum eine Rolle.

Es hat also auch etwas mit der Art der Fotografie bzw. Videografie zu tun, welche Kamera, welches Objektiv und welche Abstände sinnvoll gewählt sind. Im nächsten Abschnitt ein paar Beispiele dazu.

Portrait, Landschaft oder Makro? Das Vorhaben ist entscheidend

Auf den Einfluss von Blendenöffnung, Abstände sowie Größe des Bildsensors wurde bereits eingegangen. Welcher dieser Faktoren nun entscheidend für ein Vorhaben ist, hängt von der Art der Fotografie bzw. Videografie ab, die man gerne umsetzen möchte. Im Folgenden einfach ein paar Beispielszenarien mit den technischen Möglichkeiten verschiedener Kameras. Die Übersicht dient ein wenig zur Orientierung. Sie ist keineswegs vollständig, es gibt immer mehrere Lösungen und über einzelne Punkte kann man sowieso stundenlang diskutieren 🙂

  • Portrait: Bei Portraits profitiert man vor allem von einer großen Blendenöffnung. Häufig wird mit Brennweiten zwischen 35mm und 75mm gearbeitet und da funktioniert es mit Blende f/1.8 wunderbar mit MFT, APS-C und aufwärts. Nur kleiner sollte der Bildsensor nicht sein.
  • Landschaft: Unter Landschaftsfotografie kann man natürlich viel verstehen. Häufig hat man es aber mit einem großen Sichtfeld und entsprechend kleinen Brennweiten zu tun. Hinzu kommen die meist großen Abstände zwischen Motiv und Hintergrund sowie zwischen Kamera und Motiv. Insofern spielen Blendenöffnung und Bildsensor nicht die größte Rolle. Ein größerer Sensor bietet allerdings die Möglichkeit, bei identischer Brennweite ein größeres Sichtfeld abzudecken.
  • Nahaufnahmen / Makro: Bei Detailaufnahmen wird ein Motiv (oder sogar nur ein kleiner Teil davon) oft bildfüllend dargestellt. Dadurch sieht man von Vorder- und Hintergrund wenig bis gar nichts. Bei dieser Art der Fotografie spielen Blende und Bildsensor meistens keine große Rolle, denn fotografiert wird häufig ohnehin nicht mit besonders großen Blendenöffnungen. Eine größere Brennweite von z.B. 100mm kann hingegen sinnvoll sein. Mit einem APS-C-Sensor kommt man damit gut zurecht.
  • Streetfotografie / Architektur: Hier verhält es sich ähnlich wie bei der Landschaftsfotografie. Allerdings bietet eine größere Blendenöffnung mehr Spielraum, da die Abstände häufig kleiner sind und man damit auch bei schwachen Lichtverhältnissen gut gerüstet ist.
  • Tierfotografie: Ähnlich wie bei Nahaufnahmen profitiert man hier vor allem von längeren Brennweiten – je nachdem, welche Tiere man wo fotografieren oder filmen möchte. Möchte man das Tier oder ein Detail bildfüllend einfangen, spielt die Blendenöffnung häufig keine all zu große Rolle. Wenn man selbst mit großen Brennweiten nicht nah genug an das Motiv herankommt, sodass man den Bildausschnitt in der Nachbearbeitung anpassen muss, kann eine größere Blendenöffnung wiederum helfen.
  • Talking Head: Klassische Talking Head Formate sind z.B. bei Tutorials, Podcasts mit Video, Interviews oder im Bereich Gaming häufig zu sehen. Der Bildausschnitt umfasst i.d.R. den Protagonisten ab dem Oberkörper aufwärts. Gleichzeitig arbeitet man mit kurzen Distanzen. Die Kamera ist meist nur eine Armlänge, der Hintergrund vielleicht einige Meter entfernt. Um auf kurze Distanz ein ausreichend großes Sichtfeld zu erhalten, benötigt man eine kurze Brennweite. Für einen unscharfen Hintergrund sorgt ein ausreichend großer Bildsensor und / oder eine große Blendenöffnung. Mit MFT könnten es z.B. 16mm-20mm und eine Blende von f/1.8 sein. Bei APS-C funktioniert es schon mit f/2.5 und z.B. 24mm gut.

Fazit

Das Zusammenspiel der Faktoren Blende, Brennweite, Bildsensor und Distanzen ist kompliziert in Worte zu fassen. Viel komplizierter als es sich in der Praxis darstellt 🙂 Wenn man mit verschiedenen Brennweiten und Blenden fotografiert oder filmt, bekommt man schnell ein Gefühl für die Schärfentiefe und dem damit verbundenen, unscharfen Hintergrund. Der Unterschied zwischen einem sehr kleinen Bildsensor (z.B. Camcorder) und einem sehr großen Bildsensor (z.B. Kleinbild/Vollformat), ist in der Praxis ebenfalls schnell zu erkennen.

Je nach Art der Fotografie und genutzter Technik muss man entweder (sehr) nah an das Motiv heran oder es wird eine große Blende benötigt. Nah ran kommt man entweder durch Bewegung der Kamera oder durch ein Objektiv mit hoher Brennweite. Ist der Abstand zwischen Kamera und Motiv sowie zwischen Motiv und Hintergrund eher gering, hilft zudem ein größerer Bildsensor. Ein praktisches Beispiel ist ein Livestream am Schreibtisch. Die Kamera ist eine Armlänge und der Hintergrund 2-3m weit entfernt. Mit einem 1″ Sensor oder kleiner ist hier praktisch gar kein unscharfer Hintergrund möglich. Bei MFT muss es schon eine große Blende sein (z.B. f/1.8). Bei APS-C kann eine Blende von f/2.5 ausreichend sein und mit Kleinbild (Vollformat) hat man noch etwas mehr Spielraum. Hier gibt es z.B. tolle Zoom-Linsen mit durchgängig f/2.8. Das funktioniert wunderbar, wäre bei MFT aber viel zu klein.

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